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Fachanwalt Arbeitsrecht Hamburg - Kettenarbeitsverträge – vorwärts in die Vergangenheit


03.09.2012

Seit den “Arbeitsmarktreformen” sind befristete Arbeitsverträge praktisch immer zulässig. Soweit ein Befristungsgrund wie Vertretung oder vorübergehender Arbeitsbedarf erforderlich ist, lässt sich eigentlich immer etwas finden und auch in einem etwaigen Rechtsstreit erfolgreich verteidigen. Das führte zur Wiedergeburt der sogenannten Kettenarbeitsverträge, bei denen sich der Arbeitnehmer wie an einer Kette von einem befristeten Arbeitsvertrag zum nächsten hangeln muss.

Rechtshistorie ist auch mal ganz aufschlussreich

Nur zur Erinnerung: Angefangen hat das Thema Ende der zwanziger/Anfang der dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts. Da gab schon einen gewissen Kündigungsschutz.

Ausgerechnet das Arbeitsamt Düsseldorf hatte einen Stenografen mit nicht weniger als 25 befristeten Arbeitsverträgen nacheinander beschäftigt. Das geht so nicht, sagte das Reichsarbeitsgericht, jedenfalls in dieser extremen Ausgestaltung sei das eine rechtsmissbräuchliche Umgehung des Kündigungsschutzes, der Mann habe Anspruch auf eine Festanstellung.

Diese Rechtsprechung hat sich dann weiterentwickelt bis zur vollständigen Untersagung von befristeten Arbeitsverträgen durch das Bundesarbeitsgericht Anfang der 60er Jahre. Argument war erneut der Kündigungsschutz: Er bestand jetzt nach heutigem Muster und sollte 100%ig Bestand haben. Der Gesetzgeber reagierte bald mit Regelungen über gewisse Ausnahmen, zunächst im Hochschulbereich etwa für wissenschaftliche Mitarbeiter. 1985 wurde dann allgemein eine einmalige Befristung auf bis zu 18 Monaten möglich. 1996 erhöhte sich die Befristungsdauer auf maximal zwei Jahre, in dieser Zeit war eine höchstens zweimalige Verlängerung zulässig.

Durch die Arbeitsmarktreform im Jahre 2000 kam es dann zu der jetzigen Regelung: Vertragsdauer bei einer Befristung längstens zwei Jahre (Bei neu gegründeten Unternehmen sind es sogar vier) , in dieser Zeit höchstens dreimal verlängerbar, beim ersten Abschluss ohne und dann nur noch mit Sachgrund wie etwa Vertretung oder vorübergehender Bedarf. Sofern ein Befristungsgrund vorliegt, kann seitdem unbegrenzt ein befristetes Arbeitsverhältnis auf das nächste folgen. Es muss nur nach längstens je zwei Jahren immer wieder neu abgeschlossen werden.

Auf diese letzte Regelung wandte die Rechtsprechung nur eine beschränkte Kontrolle an: Wurden befristete Arbeitsverhältnisse mehrfach verlängert, wurde nur überprüft, ob die letzte Befristung mit einem zulässigen Sachgrund bestand. Konnte der Arbeitgeber das nachweisen, blieb es bei der Befristung, selbst wenn schon die vorherigen Befristungen unzulässig waren.

Das kommt einem doch bekannt vor

Von dieser eingeschränkten Befristungskontrolle ist das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 18. Juli 2012 – 7 AZR 443/09) jetzt abgerückt: Vor dem Hintergrund einer Vorlageentscheidung des EuGH (Urteil vom 26. Januar 2012 - C-586/10), hat das BAG festgestellt, dass es „im Einzelfall unter Berücksichtigung besonderer Umstände“ rechtsmissbräuchlich sein kann, auch bei Vorliegen eines Sachgrundes eine Vielzahl von befristeten Arbeitsverträgen hintereinander zu koppeln.

Im Streitfall ging es um einen in 11 Jahren 13mal in Folge wegen des Sachgrundes „Vertretung“ verlängerten Arbeitsvertrag der Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle eines Gerichts, der dann plötzlich nicht mehr verlängert wurde. Dazu führte das BAG aus, dass alleine die Zahl der Befristungen zwar nur wenig Aussagekraft habe. Sieben Verlängerungen seien jedenfalls immer in Ordnung, bei 13 könne aber schon etwas dafür sprechen, dass die gesetzlich gegebene Gestaltungsfreiheit vom Arbeitgebers missbräuchlich ausgenutzt worden sei. Ob das hier wirklich so war, muss das Landesarbeitsgericht als Tatsacheninstanz feststellen.

Das ist so ziemlich genau das, was schon das Reichsarbeitsgericht gesagt hatte. Nach einigem Hin- und Her sind wir also wieder da, wo wir vor fast 100 Jahren schon einmal waren. Ob man dazu jubelt oder weint, hängt wohl sehr vom eigenen Standpunkt ab. Fast unheimlich ist es, dass es jetzt wie damals um Mitarbeiter der Öffentlichen Hand ging. Geschichte wiederholt sich eben doch. Aber das hat wohl etwas damit zu tun, dass solche extremen Kettenarbeitsverträge geradezu eine Spezialität der öffentlichen Arbeitgeber (ausgerechnet) sind. Private Arbeitgeber legen eben mehr Wert auf Mitarbeiterbindung, Motivation, soziale Sicherheit und Vertrauen – auch das lässt tief blicken.

 
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